Englisch im Kindergarten – eine individuelle Entscheidung

Englisch lernen im Kindergarten

Englisch im Kindergarten: Zu früh? Gerade richtig? Oder tatsächlich – in einer Welt mit Englisch als Lingua franca – sogar notwendig? Oder werden Kinder wirklich unnötig unter Druck gesetzt? Diesen und weiteren Fragen gehen wir in unserem Blogbeitrag nach.

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Dass das Thema so kontrovers war, überraschte mich. Da hatte doch ein Paar glatt gewagt, in der Runde zu erzählen, dass seine Tochter im Kindergarten jetzt auch Englischunterricht hatte. Kaum hatten sie zu Ende geredet, bildeten sich auch schon zwei Lager. Die einen befürworteten eindeutig Englisch im Kindergarten („Dann haben sie’s nachher leichter.“), die anderen sahen darin nur eine weitere Möglichkeit, Druck auf die Kleinen auszuüben („Dann sind sie ja perfekt für die Leistungsgesellschaft vorbereitet.“).

Während rund um mich eine rege Diskussion entflammte, fragte ich mich, wie Recht bzw. Unrecht die Seiten mit ihren jeweiligen Standpunkten hatten. Ist Englischunterricht in diesem Alter wirklich zu früh? Gerade richtig? Oder tatsächlich – in einer Welt mit Englisch als Lingua franca – notwendig? Oder werden Kinder wirklich unnötig unter Druck gesetzt?

Das Kindergartenhirn – ein Sprachengenie

In der Entwicklung eines Menschen vom Säugling bis zum Erwachsenen tun sich immer wieder sogenannte Zeitfenster auf. Das bedeutet, dass zu bestimmten Zeiten gewisse Dinge leichter erlernt werden können als sonst. Für den Spracherwerb ist dieses Zeitfenster zwischen drei und fünf Jahren besonders weit offen. Bis zum dritten Lebensjahr sind Kinder damit beschäftigt, das Fundament für die eigene Muttersprache zu bauen. Das bedeutet, dass ab drei Jahren auch eine zweite Sprache wie Englisch vom Gehirn integriert werden kann – in dieser Zeit können nämlich Grammatik und Phonologie einer Sprache leicht aufgenommen werden. Gleichzeitig entwickeln die Kinder bereits ein Gefühl für die Fremdsprache. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine Fremdsprache, die bis zum sechsten Lebensjahr erlernt wird, in derselben Hirnregion abgespeichert wird wie die Muttersprache. Das Hirn von Kindergartenkindern ist also ein wahres Sprachengenie, was durchaus zum Vorteil der Kinder genutzt werden kann.

Englisch im Kindergarten

Englisch im Kindergarten – wozu?

Ein großer Vorteil von Englisch im Kindergarten ist, dass Kinder in diesem Zeitraum der Fremdsprache in einer vertrauten und geschützten Umwelt unbefangen und ohne Druck begegnen können. Durch den ungezwungenen Umgang spielen die Kinder mit der Sprache und entwickeln so ihren eigenen, freien Zugang zu Englisch – unabhängig von ihrer Sprachbegabung. Dies bedeutet, dass auch Kinder, deren Talente beispielsweise eher in den Naturwissenschaften liegen, mit frühem Englischunterricht eine Chance bekommen, die Sprache später genauso gut zu beherrschen wie ihre sprachlich begabteren Altersgenossen.


Erwähnenswert ist auch, dass sich frühe Mehrsprachigkeit in der Regel positiv auf die gesamte kognitive Leistung eines Kindes auswirkt. Das liegt darin begründet, dass das Erlernen einer Fremdsprache die Synapsenbildung und Vernetzung im Hirn fördert. In Folge fällt den Kindern Denken und Lernen leichter, sie werden flexibler und kreativer. Dies wirkt sich natürlich auch positiv auf die späteren Schulfächer wie Mathematik aus. Die Befürchtung mancher Eltern, dass das frühe Englischlernen auf Kosten anderer Talente geht, ist somit unbegründet.

Englisch lernen im Kindergarten soll Spaß machen

Unterrichtsmethoden

Als wir im Schulsystem zum ersten Mal mit Englisch in Berührung kamen, wurde Englisch viel kontrollierter und schon in Zusammenhang mit den Sprachregeln (Grammatik, Rechtschreibung) unterrichtet. Der Zugang war nicht mehr intuitiv und angesichts der Leistungsüberprüfungen schon gar nicht mehr spielerisch. Über die Jahre wurde der Englischunterricht zwar in der Regel mehr an die Bedürfnisse der Kinder angepasst, dennoch zeigt sich in diesem Bewertungssystem bald, wer nun Sprachtalent hat und wer nicht. Haben die Kinder allerdings Englisch schon unbewusst abgespeichert (eben durch Kontakt mit der Sprache im Zeitfenster von drei bis fünf Jahren), dann kann diese Basis mangelndes Sprachtalent abfedern und dem Kind viele Probleme auf dem weiteren Schulweg ersparen.

Im Kindergarten hingegen soll Englisch – wie oben schon erwähnt – spielerisch vermittelt werden. Besonders bewährt haben sich dabei folgende Methoden:

  • Den Kindergartenalltag übersetzen: Sachen, welche die Kleinen im Kindergarten oft auf Deutsch hören („Guten Morgen“, „Guten Appetit“ und selbstverständlich auch „Leise, bitte!“) werden dann von den Pädagogen einfach auf Englisch wiederholt und bei Bedarf erklärt.
  • Alle Sinne miteinbeziehen: Kombiniert man den Unterricht mit der Aktivierung der verschiedenen Sinne (Sehen, Schmecken, Hören, Riechen, Fühlen), erinnern sich Kinder leichter an das Gelernte, da ihnen nun mehr Assoziationsmöglichkeiten geboten werden. Bekommen sie beispielsweise ein Stückchen Schokolade mit dem Hinweis „This is chocolate“, werden sich die Kleinen beim nächsten Mal Naschen leichter daran erinnern, was „Schokolade“ auf Englisch heißt. (Übrigens ist das auch ein beliebter Lerntrick für die Großen – beim Lernen eine bestimmte Sorte Schokolade essen und dieselbe dann bei der Prüfung verspeisen. Wetten, das Gelernte fällt Ihnen nun leichter ein?)
  • Das Muttersprachler-Prinzip: Am besten wäre es, wenn die Kinder mit muttersprachlichen Pädagogen lernen könnten, wie z. B. in einem bilingualen Kindergarten. So lernen sie von Anfang an die richtige Aussprache sowie umgangssprachliche Phrasen des Englischen.
  • Die Lebenswelt der Kinder berücksichtigen: Kinder sind umgeben von Tieren, Spielzeug, der Familie. Zudem sind z.B. Farben und Zahlen Wörter, die sie oft verwenden. Perfekt, um ihnen diese auf Englisch beizubringen. Begriffe, die im täglichen Leben der Kinder vorkommen, bleiben leicht hängen, da sie damit ständig konfrontiert sind.
  • Nursery rhymes: Ein besonderes Kulturgut der englischen Sprache(n) sind die sogenannten Nursery rhymes, also Kinderreime. Nicht nur transportieren sie Geschichten, die im englischen Sprachraum jedes Kind kennt (wie die des armen Humpty Dumpty), die Reime sind auch leicht zu merken und machen Spaß, besonders wenn sie von Musik und Bewegung begleitet sind.

Für welche Kinder ist Englisch im Kindergarten nicht geeignet?

Selbstverständlich ist Englischunterricht im Kindergarten nicht für alle Kinder der beste Weg, sie zu unterstützen. Zu früher Kontakt mit einer Fremdsprache kann Ihrem Kind Probleme bereiten, wenn es

  • eine Sprachstörung, Hörschädigung oder Entwicklungsverzögerung hat und eine weitere Sprache dadurch verwirrend und/oder blockierend wirken kann.
  • zu Hause kaum Deutsch spricht und/oder hört, weil es eine andere Muttersprache hat. In einem solchen Fall wirkt Englisch zusätzlich zur deutschen Sprache schnell überfordernd und kann die Fortschritte im Deutschen behindern.
  • sowieso schon zweisprachig erzogen wird mit einer anderen Sprache als Englisch. Eine dritte Sprache kann ebenfalls zu einer Überforderung führen.

Eine individuelle Entscheidung

Letztendlich ist es immer eine individuelle Entscheidung, ob für Ihr Kind Englischunterricht im Kindergarten geeignet ist. Jedes Kind bringt ganz individuelle Bedürfnisse, Talente und Interessen mit und es liegt an den Eltern und teilweise auch an den Pädagogen, diese zu erkennen und zugunsten des Kindes zu entscheiden. Informieren Sie sich über die verschiedenen Modelle – es gibt sowohl zweisprachige Kindergärten als auch einsprachige, die Englischstunden anbieten.

Wollen Sie Ihrem Kind individuellen Zugang zur englischen Sprache ermöglichen, gibt es eine Fülle an CDs sowie Bücher und natürlich das Internet. Sie merken leicht, wenn Englisch Ihrem Kind Freude bereitet. Es wird versuchen, mit Ihnen auf Englisch zu reden, es wird englische Lieder singen und aus der Hauskatze eine „cat“ machen. Fest steht: Die Freude der Kinder ist ein guter Wegweiser.

Tanja Feldhofer - Pauker Bloggerin

Über die Autorin

Tanja Feldhofer ist freiberufliche Übersetzerin und hat somit ihre Leidenschaft für das geschriebene Wort zum Beruf gemacht. Ein beträchtlicher Teil ihrer Freizeit dreht sich um Lesen und Lernen, denn ihr Wissensdurst ist schlicht unstillbar. Für Der Pauker verfasst sie Blogbeiträge und erstellt Texte aller Art.

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